Pralinen, Fours & Co. - Matthias Mittermeier
Matthaes Verlag
Mich erreichte dieses Buch am 01. Oktober 2016, vormittags, während eines Pralinenkurses. Da lag es also, das Buch, auf dessen Erscheinung ich so lange gewartet hatte. Dass es gut werden muss, war anhand des Themas, der Autoren und des Fotografen klar. Nun hat man aber ein Problem, wenn das Buch endlich da ist und man hält einen Pralinenkurs mit 6 Schokoladenliebhabern ab. Man darf noch nicht in das Buch hinein schauen! Persönliches Pech für mich.
Ein paar Stunden später saß ich dann mit einem feinen Rum bestückt in meinem Büro aka Kochbuchzimmer und habe angefangen zu lesen. Im ersten Kapital dachte ich:
„What the f***! Matthias? Warum verwendest Du Hydroxyprophylmethycellulose für die Hülle? Ich weiß weder was das ist, noch kann ich es stolperfrei aussprechen. Kakaobutter tut es doch auch. Und woher bekommt man Grenadilla? Was soll das?“
Ich war wirklich etwas irritiert und verwirrt. Aber wer lesen kann, ist ja bekanntlich klar im Vorteil. Und wer sich Gelesenes auch noch merken kann, hat gewonnen. Denn im Vorwort, welches ich zwar gelesen, mir wohl aber nicht ausreichend gemerkt hatte (5 Minuten sind manchmal eine lange Zeit…), erklärt Matthias Mittermeier ja sehr ausführlich die Intention dieses Buches:
„Wir [die Autoren] haben versucht, in diesem Buch unseren Wissenstand im Jahr 2015 mit Ihnen zu teilen. Das Spektrum reicht von klassischen wie auch modernen Kreationen über neue Techniken und Zutaten, bis hin zu nie dagewesenen Präsentationsmöglichkeiten.“
Pralinen, Fours & Co., Matthias Mittermeier, Vorwort
Und so ist es auch. Im ganzen Buch findet man neue Techniken, neue Inspirationen und noch nicht verwendete Zutaten.
Mit diesem Aha-Effekt lehnte ich mich wieder entspannt zurück und schmökerte mich mehrere Stunden durch das Buch:
Herausggeber: Matthias Mittermeier
Kreationen: Ian Matthew Baker, Nicole Beckmann, René Frank, Matthias Mittermeier, Christian Hümbs, Andy Vorbusch
Fotografie: Fabian Sänger, CHOCOLATE Culinary GmbH
Erschienen im Matthaes Verlag, 2016
232 Seiten; Hardcover; 69,90 €
ISBN: 978-3-87515-132-9
Ja, ich habe das Buch ganz gelesen. 74 Rezepte, jedes einzelne Rezept. An dem einen oder anderen Rezept wurde ein Post-It mit und ohne Kommentar geklebt. Ja, ich habe da halt so einen kleinen Knall, aber lass Dir gesagt sein, ich bin mit dem Post-It-Fetisch nicht alleine...
Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt. Jeder Autor hat 12 bzw. 13 Rezepte aus den Bereichen Pralinen und Fours beigesteuert. So gibt es z. B.:
- Mangostanen-Marshmallows mit Yuzu-Mango-Karamell (Matthias Mittermeier)
- Heumilch-Butterkaramell mit Vanille und Maldon Sea Salt (Ian Matthew Baker)
- Stangensellerie-Apfel-Sorbet (Nicole Beckmann)
- Zitronen-Ingwer-Ringe (René Frank)
- Sylter Milch-Macarons (Christian Hümbs)
- Cake Pop von Düsseldorfer Altbier & Rosinen (Andy Vorbusch)
Besonders gemein ist es, wenn man auf einem Samstagabend, so gegen 22 Uhr, das sehr klare und imposante Foto zu den Zitronen-Ingwer-Ringen sieht. Das Foto ist nicht gemein, sondern einfach nur wunderschön anzusehen. Gemein ist es, wenn man nicht alle notwendigen Zutaten in der Pralinenküche liegen hat! Ich meine: Zi-tro-nen-Ing-wer-Rin-ge! Hallo?
Der Aufbau der Bilder ist übrigens stets gleich. Das Endprodukt steht für sich, platziert auf einem schwarzen, matten Untergrund. Kein Schnickschnack, pure, klare Bilder mit perfekter Ausleuchtung. Fabian Sänger hat jeden Macaron, jede Praline, jedes Sorbet, Karamell und Co. elegant in Szene gesetzt. Die ganzseitigen Bilder mögen zwar schlicht im Bildaufbau wirken, aber sie sind edel und unterstreichen die Perfektion der Produkte.
Der Rezeptaufbau orientiert sich am Arbeitsablauf zur Herstellung eines Produkts, z. B. einer Praline. Jedes Rezept ist in die Hauptarbeitsschritte unterteilt, im Falle einer Praline z. B. in
- Ganache
- Hülle
- Fertigstellung
Die Zutaten sind in Schrifttyp fett abgedruckt, die Arbeitsanweisung wird mit einem > eingeleitet. So hangelt man sich schnell durch das Rezept durch. „x Gramm hiervon und y Gramm, verrühren und aufkochen.“ In der Art schreibt doch fast jeder sein Kochnotizen auf, oder? Diese Art der Rezeptaufstellung finde ich aus zwei Gründen sehr praktisch:
- In der Zutatenliste fehlt definitiv keine Zutat, die später in der Zubereitung plötzlich und unverhofft auftaucht.
- Das ganze Rezept wird mindestens einmal komplett vor der Herstellung des Produkts gelesen. Wie gerne fängt man mit einem Rezept an, legt los und liest im dritten Absatz etwas Wichtiges, was zum Anfang mit beachtet werden soll… In meinen Kursen müssen die Rezepte gelesen werden, bevor mit dem Abwiegen der Zutaten angefangen werden kann. Vielleicht sollte ich meine Rezepte nach diesem Vorbild hier umstellen? Hmmm...
Zu den Rezepten gibt es übrigens Schritt-für-Schritt-Bilderfolgen oder Aufbauskizzen eines Fours. Sehr praktisch und hilfreich, find ich.
Zu den Zutaten sei noch erwähnt, dass immer der Hersteller und bei Spezialzutaten zusätzlich ein Lieferant mit aufgeführt wird. Das hat hier nichts mit Werbung zu tun, sondern erleichtert das Heraussuchen und Einkaufen der Zutaten. Für Pralinen- und Fours-Formen wurde übrigens genauso verfahren. Beispiel gefällig? Die Blätterform für die Pralinen „Shisoessig mit Milchschokolade“ stammt von Chocolate World und besitzt die Artikelnummer 1104.
Was mir ein wenig fehlt, sind Gesamtzeitangaben und Stückzahl der fertigen Produkte. Okay, eher die Stückzahlen zu den produzierten Produkten. Gesamtzeitangaben sind im Bereich Pralinen und Fours eher Schall und Rauch. Canachen für Schnittpralinen brauchen mehr Zeit zum Auskrisallisieren, als Canachen für handgegossene Pralinen, bis diese verschlossen werden können. Bleiben somit noch die Stückzahlen zu einem Rezept, die ich vermisse. Ja, das Buch ist an ambitionierte Hobbypatissiers und Hobby-Chocolatiers sowie Profis gerichtet. Ich gestehe, ich bin meist zu faul, mir die zu erwartende Stückanzahl im Voraus zu berechnen. Hier muss ich es halt, wenn ich am Ende nicht überrascht werden möchte.
Trotz dieses "Mini-Mankos" hat es dieses Buch auf meine ganz persönliche Top-5 meiner Pralinen- und Patissierbücher geschafft. Es ist inspirierend, sehr praktisch im Aufbau, reich versehen mit handwerklichen Kniffen und neuen Techniken und zudem wunderschön anzusehen. Es wird jetzt schon genau so geliebt, wie das Chocolate von Ramon Morato, das Elements of Desserts von Migoya, das PH-10 von Hermés und das Perfekte Pralinen von Wybauw.
Ob ich es empfehlen kann?
Ja, absolut. Jeder Pralinen-und Patisserie-Liebhaber sollte es in seinem Kochbuchregal stehen haben. Auch, wenn man sich noch eher zu den Anfängern in der Pralinenherstellung zählt, das Buch spornt an und Übung macht den Meister.
Eine Leseprobe findest Du übrigens hier: Leseprobe
Ach ja, fast vergessen: Das Buch Pralinen, Fours und Co. wurde gerade bei den GOURMAND WORLD COOKBOOK AWARDS zum besten Konditoren-/Patissier-Buch Deutschlands gewählt und ich sage: zu Recht!
Ein persönlicher Dank noch zum Abschluss:
Matthias Mittermeier schreibt in seinem Vorwort noch Folgendes:
"[…] Auch in unserer Schule zeigt sich der gleiche Trend; die Zahl der Hobby-Konditoren etc. wächst stetig. Und so muss ich ehrlich zugeben, dass auch ich anfangs meine Zweifel an dieser Gruppe hatte, schließlich beruht unser Beruf auf einer fundierten Ausbildung.
Doch fast jeder kann in unsere Branche einsteigen. Das Verblüffende jedoch ist, dass ich nach fünf Jahren als Leiter des Trend Forums [Pfersich] meine Meinung komplett revidieren muss. Die Erfahrung zeigt ganz deutlich, dass diese Quereinsteiger bei allen Seminaren – egal welches Thema – die besseren Ergebnisse liefern, sauberer arbeiten und darüber hinaus über viel mehr theoretisches Wissen verfügen. Über die Gründe hierfür könnte man lange diskutieren, ich denke jedoch, der wichtigste Grund ist die Leidenschaft für das, was man tut!"
Matthias Mittermeier, Parlinen, Fours & Co, Vorwort
Matthias, danke für Deine Worte, denn ich bin solch eine Quereinsteigerin. Und danke für Deine Unterstützung auf meinem Weg zur Eintragung in die Handwerksrolle sowie für die Unterstützung durch das Trend Forum Pfersich, die ich erfahren durfte.
Schokoladige Grüße