Perfekte Pralinen - Jean-Pierre Wybauw
Matthaes Verlag
Ich mache ja bekanntlich Pralinen. Sie sind mir so ans Herz gewachsen, dass sie sogar ein eigenes Foodblog bekommen haben. Diverse Pralinenkurse in der Schweiz wurden mittlerweile besucht und ein komplettes Pralinenzubehörregal zog ein. Fachliteratur fehlt selbstverständlich ebenfalls nicht. Mein erstes und mit Abstand am häufigsten genutztes Fachbuch über die Pralinenherstellung ist das Buch Perfekte Pralinen von Jean-Pierre Wybauw.
Jean-Pierre Wybauw arbeitet seit Jahrzehnten als Berater und Instrukteur bei Barry-Callebaut. Sein Wissen um alles, was Schokolade betrifft, gibt er weiter; er ist ständig auf Reisen quer durch die ganze Welt, schult Profis und vermittelt die Basics an Fachschulen. Seit Jahren ist er Jury-Mitglied bei internationalen Wettbewerben. 2002 wurde er vom Culinary Institute of America mit dem Titel "Chef of the year" geehrt.
(Perfekte Pralinen, Klappentext)
Buchbesprechung
Jean-Pierre Wybauw
Fototgrafie: Tony Le Duc
Stuttgart, 2006
232 Seiten; Hardcover, 69,90 €
ISBN: 978-3-87515-100-8
Es sind bereits viele Fachbücher erschienen, in denen der Schwerpunkt auf die Rezepturen und schönen Abbildungen gelegt wird. Das geht häufig zu Lasten der Brauchbarkeit des Buches im professionellen Einsatz. Von daher ergab sich die Notwendigkeit, ein Fachbuch zu schreiben, das als eine Anleitung gedacht ist, in der ganz besonders die Technik bedacht wird. Die Zielsetzung ist es, dass dieses Buch sowohl vom beginnenden als auch vom erfahrenen Fachmann als Ratgeber genutzt werden kann.
Traditionelle Themen wie die Geschichte der Schokolade, der Ursprung des Kakaos und die Herstellung von Schokolade werden in diesem Buch nicht behandelt, da hierzu bereits eine Vielzahl von Publikationen erschienen sind. Dieses Buch ist funktional und verfolgt als wichtiges Ziel, dass der Nutzer es während der Arbeit regelmäßig zu Rate zieht. [...]
(Perfekte Pralinen, Auszug aus dem Vorwort von Jean-Pierre Wybauw)
Bei Perfekte Pralinen handelt es sich um ein Fachbuch. Ein Buch, welches im Schwerpunkt theoretisches Wissen vermitteln und als Nachschlagewerk fungieren will. Handwerkliche Anleitungen, wie das Umhüllen von Pralinenkörpern oder das Anwenden diverser Dekorationstechniken treten komplett in den Hintergrund oder sind garnicht zu finden. Ferner geht es in Perfekte Pralinen um das physikalische und theoretische Verständnis hinter dem Handwerk. Welche Kristalle befinden sich in Kuvertüren und welches ist das dringend für die Stabilität benötigte? Welche Zuckerarten gibt es und wie werden diese eingesetzt? Wie wird der Feuchtegehalt einer Praline berechnet und was sagt dieser über die Haltbarkeit der Praline aus?
Zwar hatte ich noch nicht die Muße, den kompletten Theorieteil durchzuarbeiten, aber auch nur als Nachschlagewerk genutzt hilft schon enorm, wenn man sehr gute Pralinenergebnisse erzielen will. Theorie erarbeiten ist hier übrigens durchaus die richtige Wortwahl. Die Theorie-Kapitel:
- Eigenschaften der am häufigsten verwendeten Grundstoffe,
- Schokoladenverarbeitung,
- Rheologie,
- Haltbarkeit und Faktoren die die Haltbarkeit verlängern,
- Zuckerverarbeitung und
- Der Start
vermitteln Fachwissen, welches zum Teil nicht durch einmaliges Lesen verstanden bzw. nachvollzogen werden kann. Zumindest geht es mir an manchen Stellen so. Aber das ist ja auch klar. Zum Einen habe ich die Angewohnheit nebenher zu lesen und zum Anderen bin ich nicht von Fach. Also lese ich gerne in den Theorie-Themen, wenn ich Zeit, Ruhe und Muße habe oder spezielle Fragen beantwortet haben möchte.
Matte Oberfläche oder ein großer Matter Fleck (2)
Mögliche Ursache
- Die Schokolade wurde zu früh aus der Form geholt.
- Es wurde überkristallisierte Schokolade verwendet.
Kann vermieden werden durch
- die Abkühlzeit einzuhalten. Bei durchsichtigen Formen kann man an der Außenseite das Schrumpfverhalten der Schokolade verfolgen. Solange noch dunklere Stellen zu sehen sind, muss die Form noch länger abgekühlt werden;
- Die Verwendung einer Schokolade mit der richtigen Menge ß-Kristallen.
(Perfekte Pralinen, Kapitel Schokoladenverarbeitung, Unerwünschte Ergebnisse - was können wir tun?)
Nach dem sehr ausführlichen Theorieteil folgen Pralinenrezepte, sortiert in die Kategorien:
- Pralinenrezepte auf Nussbasis
- Pralinenrezepte auf Fettbasis
- Canachen
- Nougat
- Früchte-in-Likör-Pralinen
- Marzipan und Persipan
- Trüffel und Hohlkugeln
- Fruchtgelee
- Diverses
Am Aufbau der Rezepte merkt man übrigens ebenfalls, dass es sich hier um ein Fachbuch handelt. Neben einer Zutatenliste steht dem Leser eine sehr kurze Beschreibung der Zubereitung zur Verfügung, in der nur die wesentlichen Arbeitsschritte skizziert sind. Das Beherrschen des benötigten Handwerks wird vorausgesetzt.
Die Mengen der Zutaten sind nicht für den Hausgebrauch gedacht. So benötigt man z. B. für die Canache des Pistaziengiandujas, einer zweischichtigen Schnittpraline, u. a. 300 g Sahne, 800 g weiße Schokolade und 100 g Butter.
[...] Die Mandeln rösten. Die Mandeln, die Pistazien und den Puderzucker in den Robot-Coupe zu einer feinen Masse zermahlen. Die Kakaobutter, die Schokolade und die Pistazienpaste zufügen, und alles zu einer homogenen Mischung verrühren. Die Masse muss vorkristalliert werden, bevor sie in einem auf Silpat gesetzten Rahmen gegossen und gleichmäßig ausgerollt. [...]
(Perfekte Pralinen, Auszug aus dem Rezept Pistaziengianduja)
Das Buch Perfekte Pralinen ist im Rezeptteil mit vielen schönen, unaufgeregten Fotos versehen, auf welchen die Praline direkt im Fokus steht. Auf üppiges Dekor und Drumherum wurde verzichtet. Die feinen Pralinen sind auf unterschiedlichen Untergründen, wie z. B. leicht goldenem, geschöpftem Papier, drappiert und fotographiert.
Im Theorieteil sind viele sehr schlichte, aber anschauliche Bilder enthalten, die den beschriebenen Sachverhalt verdeutlichen. Gerade für die Fehlersuche ist dies sehr hilfreich.
Das Erscheinungsbild des Buches ist eher unaufgeregt. Der Einband des Buches ist ein klassischer bedruckter Hardcovereinband mit einer sehr ansprechenden Nahaufnahme eines handgemachten Trüffels. Die Papierwahl ist, wie bei den meisten Matthaes-Büchern, angenehm dick mit einer matten Papierstruktur. Ein störendes Reflektieren durch evtl. Lichtquellen ist somit zum Glück ausgeschlossen. Die Lesbarkeit des Buches, welche sowieso schon sehr gut ist, wird dadurch nicht beeinträchtigt.
Mein Fazit zu Perfekte Pralinen
Ich habe schon diverse Pralinen aus diesem Buch gemacht. Alle Pralinen geschmacklich sehr fein, ausgewogen und ein absoluter Genuss. Die Texturen der fertigen Pralinen sind so, wie im Buch beschrieben und/oder abgebildet. Meine aktuellen Lieblinge aus Perfekte Pralinen sind Wybauws Basilikum-Praline, Sesampraline und Zimttrüffel.
Wer Pralinen liebt und/oder sich intensiv mit Pralinen auseinandersetzen möchte, ist mit diesem diesem Fachbuch sehr gut beraten.
Ja, es ist ein Fachbuch, welches sich in Profis richtet. Und ja, man braucht schon etwas Erfahrung, um die hier abgebildeten Pralinen herzustellen. Aber dieses Buch ist keine reine Rezeptsammlung. Die Dichte, in der hier die Theorie zur Pralinenherstellung beschrieben ist, findet man in der aktuellen Pralinenliteratur keine so gut beschriebenen Theorieteil. Einzig Handwerk Schokolade kommt hier dem Buch Perfekte Pralinen recht nahe. Hier liegt der Schwerpunkt allerdings anders.
Ergo - Perfekte Pralinen ist für mich ein sehr gutes Pralinenbuch, welches ist gerne weiterempfehlen möchte.
Eine Leseprobe gibt es übrigens auch: Perfekte Pralinen - Leseprobe
Schokoladige Grüße
Dies war ein Beitrag für #JTEB